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Bürgerräte gaukeln mehr Demokratie nur vor

Der Deutsche Bundestag hat Anfang Mai einen ersten Bürgerrat zum Thema »Ernährung im Wandel« eingesetzt. 160 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, aus einer Gruppe von 20.000, die von der Bundestagspräsidentin eine Einladung erhalten, sollen ein Bürgergutachten erarbeiten und damit konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik adressieren, die dann der Deutsche Bundestag im parlamentarischen Prozess einbinden will. Noch zwei weitere Bürgerräte sollen in dieser Legislaturperiode folgen.

Das, was auf den ersten Blick nach mehr Demokratie aussieht, ist in Wirklichkeit ein Frontalangriff auf die organisierte Zivilgesellschaft. Auch der Deutsche Kulturrat und die vielen anderen Verbände des Kultur-, Sozial-, Umwelt- und Sportbereiches sind davon betroffen. Bislang wurden für die externe Beratung des Deutschen Bundestages und auch der Bundesministerien neben Wissenschaftlern Verbände eingeladen, die nach dem Repräsentanzprinzip funktionieren. Interessen werden gebündelt und abgestimmt und dann der Politik als Vorschläge vorgelegt.

Das Grundgesetz schützt in Artikel 9 explizit die Vereinigungsfreiheit. Darauf folgt zum Beispiel in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien sogar eine geschäftsordnungsrechtliche Pflicht zur Beteiligung von Verbänden bei Gesetzgebungsvorhaben, wenn deren Belange berührt werden. Der Deutsche Bundestag sagt richtigerweise, dass die Vertretung gesellschaftlicher Interessen gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu den Wesensmerkmalen einer Demokratie gehört.

Interessenvertretung durch Verbände muss, davon bin ich fest überzeugt, transparent geschehen. Deswegen hat der Deutsche Kulturrat immer die Einrichtung einer öffentlich einsehbaren Liste über die beim Deutschen Bundestag registrierten Verbände, das sogenannte Lobbyregister, unterstützt und hat sich selbstverständlich auch eingetragen.

Die jetzt in Gründung befindlichen Bürgerräte werden wahrscheinlich keinen nachhaltigen Einfluss im Politikbetrieb entfalten können. Sie sind ausgeloste Einzelpersonen, die den Politikprofis im Parlament und den Ministerien in vielen Fällen nicht gewachsen sein werden. Wirkungsvolle Interessenvertretung verlangt professionelles Arbeiten auf Augenhöhe mit den Regierungs- und Parlamentsvertretern.

Die Demokratie ist ein hohes Gut. Wahlrecht, Repräsentanzprinzip, Gewaltenteilung, Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft sind einige Grundlagen für ein gutes Funktionieren. Die neuen Bürgerräte dagegen gaukeln mehr Demokratie nur vor.

Ihr

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates